Artist Talk: Schmücken was heilig ist – Sonja Raab

Foto: Rainer Benatzky

Die im Ybbstal lebende österreichische Künstlerin Sonja Raab stellte ich hier schon einmal vor 4 Jahren vor. Ihre vergoldeten Tierschädel, kunstvoll erstellten Schreine und Klosterarbeiten faszinierten mich schon damals. Auch heute noch hallt ihr Interview nach und so war es nur logisch doch noch mal nachzufragen, was sich eigentlich in den vergangenen Jahren im Arbeiten und in der Kunst von Sonja Raab verändert hat.

Vor 4 Jahren habe ich dich schon einmal zu deiner Kunst interviewt. Was hat sich seitdem für dich und in deiner Arbeit verändert?

Es hat sich unglaublich viel getan. Ich habe zur niederösterreichischen Eisenstraßen-Tracht eine passende Brautkrone designt und gebaut und es damit in einem Kulturmagazin zum „Kunstwerk der Ausgabe“ geschafft. Von der Museums-Direktorin des Schweizer Hexenmuseums in Liebegg wurde ich eingeladen, eines meiner Werkstücke- einen versilberten Schädel mit Klosterarbeiten und Krone- in der Sonderausstellung „JENSEITS der Zeit Tod & Unsterblichkeit- Mort & Immortalité“ auszustellen.

Eine meiner Brautkronen hat es auf das Titelblatt des Kulturmagazins „KunstStoff“ geschafft und ich habe mit einer Brautkrone den 7. Platz beim „Kunst Online- Preis 2024“ erreicht, einem internationalen Kunst- Wettbewerb des größten deutschsprachigen Kunstportals.   

Was würdest du selbst sagen, was deine Kunst ist

Krönen, was Dir heilig ist.

Was reizt dich an der von dir gewählten Technik und welche Vorteile bietet sie dir?

Sie ist unheimlich vielfältig einsetzbar. Von morbid über heilig bis extravagant, zart und unauffällig bis „prunkig“ ist alles möglich. Man kann alles damit schmücken. Was dem Kunden eben heilig ist, das mache ich. Dabei erlebe ich viele emotionale Momente. Zum Beispiel bei Ahnenschreinen, wo ich den Anzug des Großvaters, seine Taschenuhr und das Grün der Zigarettenpackungen einbaue, die er immer geraucht hat. Wenn die Enkelin das in Auftrag gibt und ich dafür einen alten Anzug zerschneide und ihr dann das Großvater- Bild übergebe, dann berührt mich das zutiefst.

Oder wenn eine Stammkundin aus Deutschland einem angehenden Pfarrer auf den Philippinen eine geschmückte Madonna bezahlt, die er sich nicht leisten könnte. Ein Sohn, der seiner Mama Haarschmuck kauft, eine Vorarlbergerin, die jedes Jahr einmal in die Werkstatt kommt, oder auch andere Künstler, mit denen ich mich austauschen kann. Es bereichert das ganze Spektrum des Lebens.  

Was sind deine Intentionen? Wie gehst du vor, wenn du mit einem Werk beginnst?

Es geht mir einzig und allein darum, dass das Werkstück in die Wirklichkeit treten und Licht und Segen bringen kann. Ich spreche mit den Ahnen, mit den Göttern, mit den Geistern und ich möchte, dass sie mir sagen, was zu tun ist. Natürlich muss ich auch auf Kundenwünsche achten und als Künstlerin bin ich gefordert, zu vermitteln um das umsetzen zu können, was aus sich heraus geboren werden will. 

Du stellst Memento Mori und Brautkronen her und machst auch Auftragsarbeiten, was ist dir dabei das Liebste?

Das Schönste ist, wenn ein Kunde mir sein Heiligtum vertrauensvoll in die Hände legt und sagt: “Mach einfach. Du weißt schon, was zu tun ist!“ Das macht mich demütig und dankbar und zeigt mir, dass dieser Mensch verstanden hat, worum es geht. Es ist nicht die erste Priorität, dass es am Ende mir oder ihm gefällt, sondern dass die Madonna die dann im Raum steht, Segen bringt. Dass die Ahnen zufrieden sind und der Enkelin oder dem Enkel helfen. Dass die Götter Licht bringen. Dass der oder die Beschenkte eine Freude hat. Mit den Arbeiten ist es wie im Leben. Man kann schon ein wenig dran rumzupfen und es sich richten, aber so grundsätzliche Dinge stehen schon fest und wollen gelebt werden und wenn man das nicht zulässt, wird man unzufrieden oder krank.

Foto: Rainer Benatzky

Welchen Stellenwert nimmt allgemein Kunst in deinem Leben ein?

WENN ein göttliches Wesen die Welt erschaffen hat, dann ist es ein Künstler. Denn ohne Kreativität und Leidenschaft und Herzblut wäre das alles hier nicht entstanden. Und diesen Drang, etwas zu erschaffen, hat ganz sicher jeder Mensch in sich verankert. Ob es ein Kind zur Welt bringen oder sich in der Arbeit zu verwirklichen ist, oder eben kreativ zu sein und ein Werk, ein Buch, ein Bild oder einen Film zu erschaffen. Der Drang steckt sicherlich in jedem Menschen. Es bringt uns dem Göttlichen näher. Das ganze Universum ist Kreativität und Ausdehnung und Erschaffung und Zerstörung. 

Gibt es ein Kunstwerk in deinem Leben, das dich besonders beeindruckt hat?

Der österreichische Kunstsammler, Galerist und Mäzen Richard Eder hat früher immer wieder in seiner „Wohnzimmer Galerie“ in Linz Urfahr Künstler und Kunstinteressierte eingeladen. Man konnte dort bei Brötchen und Sekt viele Werke von renommierten österreichischen Künstlern bestaunen und sich austauschen. Einmal stellte er ein kleines Bild von Christian Ludwig Attersee aus und ich stand davor und war total begeistert. Es zeigte nur schwarze Striche auf einem orangefarbenen Hintergrund, vielleicht 9×13 cm klein. Darunter stand „Nachricht eines Häuptlings“ und es kostete für meine Verhältnisse enorm viel Geld. Ich habe Jahre später noch davon erzählt und tu es heute noch. Es hat mich umgehauen und ich hätte es gekauft, wenn ich die Kohle gehabt hätte. Als ich in meiner eigenen Kunst endlich den roten Faden gefunden hatte, fragte ich Richard Eder, ob ich bei ihm ausstellen dürfte- leider war er da schon in Pension- aber er hat mich ohne mir etwas davon zu sagen, in zwei Büchern über die Wohnzimmer Galerie eingebunden und mich vorgestellt, mit Bildern, Texten und Link zur Homepage. Das hat mich sehr berührt und ich fühlte mich geehrt.

Der erste Künstler, der mich als Kind schon extrem beeindruckt hat war sicherlich Friedensreich Hundertwasser, als er im TV in den 80ern das „Fensterrecht“ erklärte. Er meinte, jeder Wohnungs-Mieter/ Besitzer sollte das Recht haben, rund um seine Fenster an der Außen Fassade des Hauses so lange er mit den Händen und einem Pinsel reichen könne, die Fassade zu bemalen. Sodass man von draußen schon von weitem erkennen könne, welcher Mensch dahinter wohnt. Er wollte das Individuum stark machen und ich finde die Idee großartig. Auch, dass die gerade Linie Gotteslästerung ist und er das durchgezogen hat bis zum Schluss- einfach super. Ich muss immer schmunzeln, wenn ich an ihn denke.

 Wo gehst Du hin, wenn Du bei Dir sein willst?

Zuerst in den Wald oder auf einen Berg- und während ich gehe sowie wenn ich dann oben sitze und runter schaue, IN MICH. Wir sind Natur- durch und durch- und nichts bringt uns schneller in unsere Kraft, als uns mit der umgebenden Natur zu verbinden.

Dein Leben ohne Kunst wäre…?

Depression, Krankheit, Tod.

Sonja Raab in ihrem Atelier

Eine Frage, die Dich gerade bewegt

Wann werde ich es endlich schaffen, so viel zu sparen, um Albaniens Klöster zu sehen? Ich möchte mit einem Auto durch Slowenien, Kroatien und Montenegro nach Albanien fahren. Es geht mir nicht darum, dort zu sein, sondern die Fahrt zu genießen und überall stehen zu bleiben, wo es mir gefällt. Bis knapp vor Montenegro habe ich es schonmal geschafft. Das Velebitgebirge, die Insel Korcula, die Oleander und Palmen in Orebic- ich habe mich verliebt in die Balkan-Energie und möchte noch weiter runter. 

Was hat dich zuletzt inspiriert?

Die Arbeiten anderer Klosterarbeits-Damen, die ich auf Instagram verfolge, inspirieren mich immer wieder und halten mich „bei der Stange“ sozusagen. Barbara Baumann und Trudi Ziegler-Baumann haben ein tolles Buch über Klosterarbeiten veröffentlicht, in dem auch Werkschritte erklärt werden. Es ist ein einzigartiges Buch, das mir sehr weiter hilft und mich immer wieder dazu animiert, Neues auszuprobieren, Techniken zu verfeinern und kreativ zu sein. Auch alte Klosterarbeiten sind eine wahre Quelle und Fundgrube an Ideen und man kann sich auch von Bildern viel abschauen und dann selbst ausprobieren, es nachzumachen, wie es früher gemacht wurde. Alte Techniken zu lernen ist immer wieder eine Freude. 

Was ist Kunst für dich?

Ungebändigtes, leidenschaftliches Handwerk.

Woran arbeitest du im Augenblick?

Ich werde am 17.Februar 2024 nach Oberösterreich fahren und dort lernen, wie man eine Goldhaube herstellt. Bzw. ich mache eine schwarze Perlhaube. Ich freue mich schon riesig auf dieses Projekt. Auch wenn ich selber keine Goldhaube trage, fasziniert mich das Handwerk und die lange Zeit die es braucht, so etwas herzustellen. Auch in unserer Gegens sind Florhauben, Perlhauben und Goldhauben Tradition und es gibt viele Goldhaubengruppen und Trachtenvereine, die diese Tradition weitertragen, an hohen Kirchentagen ziehen sie dann ihre Seidenkleider an oder die schwarzen Kopftücher oder eben die Goldhauben, die sie in wunderschönen Holzspanschachteln transportieren. Diese Verschwendung an Zeit und Fuzzelarbeit und Material für etwas, das keinen wirklichen Nutzen hat, fasziniert mich total.

Von welchem Projekt träumst du?

Ich träume davon, es endlich in eine Galerie oder ein Museum zu schaffen mit meinen Werkstücken. Zwischen den Aufträgen arbeite ich in jeder freien Minute an Werkstücken für Ausstellungen. Irgendwann wird sich diese Tür öffnen, dann bin ich bereit und habe ein großes Repertoire zur Verfügung.

Danke für das Interview und weiterhin viel Erfolg mit deiner Arbeit, liebe Sonja!

Fotos von Sonja Raab und dem Fotografen Rainer Benatzky.

Website Sonja Raab: START – GoldSpinnerei- Klosterarbeiten und Drahtkunst

3 Comments

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert