28.03. – 06.04.2025 MOM art Space Hamburg
Anne Wilhelm, Clara Lena Langenbach, Torben Körschkes
Die Ausstellung widmet sich der Pareidolie – der menschlichen Neigung, in abstrakten Strukturen vermeintliche Muster und Bedeutungen zu erkennen. Ein Gesicht in Wolken, Schatten, die Figuren formen, Wortfragmente, die sich scheinbar von selbst zu Sinngebilden fügen – unsere Wahrnehmung sucht stets nach Ordnung im Chaos.

Diese Tendenz hat eine lange kulturhistorische Tradition. Bereits in der Antike wurden Naturerscheinungen als göttliche Zeichen gedeutet, während in der Kunstgeschichte das Entdecken verborgener Bilder eine zentrale Rolle spielte – von Leonardo da Vincis Empfehlung, in zufälligen Flecken Inspiration zu suchen, bis hin zu surrealistischen Cadavre Exquis-Techniken oder psychologischen Rorschach-Tests. Religiöse und spirituelle Vorstellungen beruhen oft auf pareidolischen Wahrnehmungen – von Gesichtern in Baumrinden bis zu Marienerscheinungen. Sie prägen nicht nur Mythen und Glaubenssysteme, sondern auch utopische Visionen: Vom Paradies über politische Heilsversprechen bis zu Erlösungsnarrativen der Moderne – immer wieder werden in zufälligen Strukturen Zeichen einer vermeintlichen Ordnung entdeckt, die Zukunftsmodelle inspirieren oder Herrschaft legitimieren. Die Ausstellung verweist daher auch auf die dunkle Seite dieses Phänomens: In der digitalen Informationsflut werden Zufälle zu scheinbar schlüssigen Narrativen verknüpft – ein Mechanismus, der Verschwörungserzählungen befeuert. Bilder und Texte werden aus dem Kontext gerissen, Zusammenhänge konstruiert. Komplexe Realitäten reduzieren sich auf einfache Erklärungen – mit weitreichenden gesellschaftlichen und politischen Folgen. Wie schnell kann der Impuls, Muster zu erkennen, in eine gefährliche Illusion umschlagen?
Die Künstler:innen der Ausstellung erforschen Pareidolie auf visueller, auditiver und sozio-kultureller Ebene. Ihre Arbeiten bewegen sich zwischen Wahrnehmung und Vision, zwischen Sinnsuche und Neuschöpfung. Sie spielen mit Dingen, die auftauchen und verschwinden, sich fügen oder auflösen – und hinterfragen dabei die Grenzen zwischen Vorstellung und Realität. Indem sie das Spannungsfeld zwischen kreativer Deutung und ideologischer Vereinnahmung ausloten, öffnen sie zugleich einen Raum für neue Möglichkeiten: Was wäre, wenn Pareidolie nicht als Irrtum, sondern als Störung eingefahrener Denkweisen begriffen würde? Kann das Erkennen unerwarteter Zusammenhänge auch Wege zu neuen Formen des Denkens, Fühlens und Handelns eröffnen – zu einer Zukunft, die sich erst durch unser kollektives Vorstellungsvermögen formt?
In The Territory Dissolves geht Torben Körschkes dem optischen Phänomen der Fata Morgana und ihrer mythischen Namensgeberin Morgain Le Fay nach. Sie bilden eine Denkfigur, um transkulturelle und transgeografische Beziehungen zwischen Landschaft und Identität zu untersuchen. Konzipiert als Installation mit performativer Aktivierung, plädiert The Territory Dissolves dafür imaginierte Gemeinschaften gegen die in Europa und der Welt vorherrschende territoriale Bigotterie und gegen essentialistische Vorstellungen von singulären oder linearen Ursprüngen neu zu denken.

In ihrer Arbeit If I didn’t know this was Mars I would have thought it was from near where I grew up. (2022) setzt sich Clara Lena Langenbach mit der Konstruktion und Wahrnehmung von Wirklichkeit auseinander. Inspiriert von einem reddit-Forum, indem sich User gegenseitig ihre Funde von irdischen Gegenständen auf dem Fotomaterial der NASA-Aufnahmen des Mars zeigen, untersucht sie, wie Sinnestäuschungen und Übersetzungsfehler die Deutung von Bildern und Informationen beeinflussen, wodurch ein vielschichtiges Spiel mit Wahrnehmung und Bewegung der Betrachtenden entsteht.
Auch die Künstlerin Anne Wilhelm untersucht in ihren Film- und Fotoarbeiten die Flüchtigkeit von Erinnerung und Wahrnehmung. Ihre Arbeiten bewegen sich zwischen dokumentarischer Fotografie und inszenierter Beobachtung und befassen sich mit dem Spannungsfeld zwischen Sichtbarkeit und Vergänglichkeit. Mit dem Smartphone kreiert, richten Wilhelms Aufnahmen den Blick auf Momente, die im alltäglichen Strom des Sehens oft übersehen werden und wirken einer Ästhetik der Verschwindens entgegen. In Auseinandersetzung mit der Brüchigkeit von Bedeutung setzt sie sich zudem mit dem Wandel und der Beständigkeit von Worten auseinander und lädt dazu ein, Sprache als lebendiges, veränderliches Konstrukt zu begreifen.
Zu den Küntler:innen:
Torben Körschkes ist Künstler und experimenteller Raumgestalter. In Essays, Montagen, Installationen und Fiktionen forscht er zu dem Verhältnis von Raumvorstellungen und Gemeinschaft. Er ist Teil des Kunst- und Forschungskollektivs HEFT, das sich mit Fragen sozio-politischer Räume beschäftigt, sowie von studio lose, einem kollaborativen Designbüro mit Ina Römling und Frieder Bohaumilitzky. Er promoviert im Programm PhDArts der Leiden University und Royal Academy of Art The Hague zu Spatial Imaginations and the Chaos-World.
Clara Lena Langenbach hinterfragt in ihrer künstlerischen Praxis die klassischen Bilder von Körperlichkeit. Ausgangspunkt ihrer Arbeiten sind dabei normative Interpretationen oder Klassifizierungen des menschlichen Körpers in Themenfeldern wie Mode, Medizin oder Kultur. Geprägt von ihrer persönlichen Erfahrung mit einer Skoliosediagnose verbindet Langenbach physiotherapeutische und bildhauerische Techniken. Dabei behandelt sie den Körper als formbares Objekt, das durch äußeren Druck – sei es physisch oder gesellschaftlich – beeinflusst, verändert oder eingeschränkt wird.
Anne Wilhelm ist Künstlerin und Lehrerin. In Fotografien, Filmen und multimedialen Arbeiten setzt sie sich mit den Wechselwirkungen von Bild, Sprache und Raum auseinander. Sie studierte Art Education und Bildende Kunst an der HFBK Hamburg und der ZHdK Zürich. Ihren Master in Mixed Media absolvierte sie bei Angela Bulloch, ihren Bachelor in der Malereiklasse von Gregor Hildebrandt. Sie lebt und arbeitet in Hamburg.
Kuratiert wurde die Ausstellung von Lara Victoria Gorski.
Weitere Informationen zur Ausstellung: Random but Patterns – pareidolische Wanderungen – MOM art space
MOM art space, Valentinskamp 34A, 20355 Hamburg
jeweils Fr 16–20h und Sa+So 14–18h