Über Hoffnung, Kunst und Glück – Artisttalk mit Doreen Stenzel
Manuela: Liebe Doreen, wir kennen uns seit den Teltower Kunsttagen 2018. Ein Jahr später haben wir zusammen in Dresden ausgestellt, was hat sich seit dem bei dir bewegt?
Doreen: Anfang 2020 zog ich mit meinem Atelier ins Kunst- und Kreativhaus Rechenzentrum, in die Innenstadt von Potsdam. Die folgenden Jahre Pandemie waren sehr speziell. Positiv war, dass ich nun endlich Zeit fand mir als Künstlerin zuzuhören, mir selbst Fragen zu stellen und diese beantworteten konnte. Zum Beispiel beschäftigte mich, dass sich die Menschen während der Pandemie nicht adäquat verabschieden konnten, meine Arbeit „ Klang des Lebens“ entstand.
Zudem durfte ich einige künstlerische Workshops zur Erinnerungskultur halten, das war sehr spannend und hat mich ganz anders gefordert.
2022 bekam ich zusammen mit der Kulturmanagerin Anna Dejewska-Herzberg eine Förderung für das Projekt „Segel voller Hoffnung“. Ein großes, weißes Segelschiff war in der Stadt- und Landesbibliothek zu sehen.
Als kraftvolles Hoffnungszeichen in einer von Krisen geprägten Zeit (v.a. Ukrainekrieg) ließ es zugleich die Zerbrechlichkeit unserer Gesellschaft spürbar werden. Während 2er Workshops u.a. auch mit Geflüchteten wurde die Installation durch kleine Segel erweitert. Es war ein tolles Projekt mit hoher Beteiligung.
Letztes Jahr wurde meine Arbeit „Erwachen“ für die Ausstellung „PAPER ALIVE“ Internationale Papierkunst von der IAPMA ausgewählt und auf dem Schloss Pillnitz bei Dresden gezeigt. Das Erwachen nach der Pandemie, neuen Mutes freudvoll und mit gewonnener Weisheit Vorwärtsgehen war mein Impuls bei diesem Werk.
IAPMA ist ein internationaler Verband von PapiermacherInnen und PapierkünstlerInnen. Es gelang eine wirklich tolle Paper Art Ausstellung, die die lebendige Seite des Papiers aufzeigte, die Formbarkeit, das Beständige, die Durchsetzungsfähigkeit. Im Rahmen der Ausstellung fand ein internationaler Kongress statt, so lernte ich einige Künstlerinnen, Macherinnen und WissenschaftlerInnen persönlich kennen.
Es waren sehr ausgefüllte Jahre mit großen und kleinen erfüllenden Highlights.
Manuela: Du schreibst, dass Du Deine Herangehensweise präzisiert hast, kannst Du uns genauer erzählen, wie Deine Kunst entsteht.
Doreen: Am liebsten mag ich es, wenn meine Werke aus dem Leben heraus entstehen, durch Fragen, die mir begegnen, auf die ich für mich selbst Antworten finde. Meist sind das längere Prozesse. Ein Beispiel dafür ist meine aktuelle Arbeit „Was bleibt?“ (vom Leben nach dem Tod)
Die Fragestellung dafür ergab sich aus der vertieften Betrachtung von „Klang des Lebens“.
Manchmal lasse ich mich auch von anderen KünstlerInnen inspirieren. Beispielsweise geht „Erwachen“ auf das Werk „Auferstehung“ der Künstlerin Oda Schielicke zurück.
Bewerbe ich mich auf eine Ausschreibung, gibt es sehr viel mehr Anforderungen zu erfüllen, die am Ende ein stimmiges Bild ergeben müssen. Hier entsteht am Anfang ein Konzept. An den Vorgaben orientiert sammle ich Erlebnisse, Erfahrungen und Inspirationen, sodass sich eine authentische Position herausschält, die dann mit dem Ort und den Menschen künstlerisch interaktiv und originell zusammenzubringen ist.
Manuela: Was inspiriert dich noch?
Doreen: Zuletzt habe ich für eine Praxis ein Lichtobjekt gestaltet, nach der Blütenform „Frangipani“. Zudem entsteht ein abgestimmtes Raumobjekt, eine weiße Papierblüte mit ausladend hängenden goldgelben Blättern. Basis meiner Inspiration ist hier der Mensch in seinem Arbeitsraum.
Wenn ich in einem Raum stehe oder Fotos vorliegen habe, beobachte ich sehr genau, versuche kleinste Details wahrzunehmen. Ich frage mich, wie fühlt sich der Raum an, wie fühle ich mich als Mensch in dem Raum? Wie kann ich Natur, Atmosphäre und Verbundenheit hineinbringen? Und dann taucht ein Bild vor meinem Auge auf, als würde ich organische Formen in die Luft zeichnen. Das ist dann schon der Beginn für den Entwurf und die Umsetzung. Die Inspirationen dafür sammle ich wiederum meist unbewusst in meinem Alltag, in der Natur, in Büchern, im Garten, in Gesprächen, im Atelier. Es ist ein Spiel des Lebens mit allem Lebendigen, mit Material, Farben, Formen, Licht und Schatten.
Manuela: Verrätst Du uns, wie Du zu Deiner Kunst gekommen bist?
Doreen: Nun, ja, ich wollte immer schon künstlerisch tätig sein. Für die Aufnahme an der Kunsthochschule fehlten mir nur wenige Punkte, aber ich hatte schon eineinhalb Jahre Praktika investiert und so entschied ich mich für den indirekten Weg. Zunächst widmete ich mich dem Material. Da ich Kreisläufe liebe, lag es nahe mit natürlichen Stoffen zu arbeiten, aus reinem Interesse erlernte ich das Spinnen von Wolle und Baumwolle, um den Prozess zu verstehen. Dann kamen das Färben mit Pflanzenfarben und meine ersten Wandschals sind entstanden. Doch mein Interesse an der Kommunikation wollte Symbole und Zeichen einbeziehen. Ein Workshop bei der Papier- und Objektkünstlerin Inga Carrière war dann ausschlaggebend für die Integration von Papier. Eher zufällig entstanden kleine Tropfenformen und so ergab sich eine Verbindung zwischen Natur, Kunst und Mensch. Eine Verbindung meiner ganz persönlichen Lebensthemen, die sich in allen meinen Arbeiten widerspiegeln. Doch es brauchte noch etliche Jahre der Präzisierung und Professionalisierung.
Dem inneren Antrieb folgen, beobachten und zuhören, Interessen und Themen finden und entwickeln, an Techniken feilen und sich selbst neuen Herausforderungen stellen sind wiederkehrende Tätigkeiten in meinem Künstlerinnenalltag. Diese Dynamik liegt auch heute noch meinem Schaffen zu Grunde.
Manuela: Das klingt nach einem langwierigen Weg. War es immer leicht?
Doreen: Es ist ein langwieriger, aber keinesfalls langweiliger Weg. 10 Jahre habe ich gebraucht um nun an einem Punkt des Ankommens zu stehen. Dazu zählt auch die Aufnahme in den Berufsverband. Und nein, es war gewiss nicht leicht. In meiner Kunst spiele ich zwar mit der Leichtigkeit. Doch die andere Seite der Medaille sind Zweifel, Unsicherheit und manchmal auch Isoliertheit.
Manuela: Wenn Du so in einer Phase der Stagnation bist, wie schaffst Du es doch weiterzugehen und dabei zu bleiben?
Doreen: Ich habe einen ganz einfachen Tröster, das ist mein Garten, die Arbeit darin erdet mich, bringt mich immer wieder zu mir selbst. Das Beobachten der Pflanzen und Tiere, die summenden Geräusche der Bienen, das bringt Genügsamkeit. Das Leben ist lebendig und pulsierend, es geht immer weiter. Dann fühle ich keinen Mangel, ich bin im Einklang. Das sind die kleinen Momente im Leben, die mich glücklich machen. Sie geben mir die Kraft weiterzugehen. Und ich schreibe, schreibe mir meinen Frust von der Seele, das hilft und macht mich wieder frei.
Manuela: Du hast zuvor auch von Isoliertheit gesprochen, kannst Du uns mehr darüber erzählen?
Doreen: Ich arbeite gerne aus der Stille heraus, da kann ich gut anknüpfen, das fühlt sich wahr an. Doch zu viel Zeit allein zu verbringen, kann auch weh tun. An dieser Stelle bin ich sehr verletzlich.
In meiner Traurigkeit blicke ich dann sehnsüchtig zu den schönen Dingen im Leben: Freude, Sein und Leichtigkeit. Dann sind meine Werke richtige kleine Schätze, Glück für mich.
Natur schenkt Hoffnung, schenkt Beistand. Mit ihr und in ihr fühle ich mich verbunden. Diese Verbundenheit drücke ich in meinen Werken aus. Sie sind auch ein Teil Hoffnung.
Das ist mein Geschenk an die Welt.
Manuela: Vielen herzlichen Dank, dass Du Deine Erfahrungen hier mit uns teilst und für Deinen Einblick in Dein Schaffen!
Links:
Webseite: www.doreen-stenzel.de
Projektdokumentation Segel voller Hoffnung:
http://doreen-stenzel.de/files/material/pdfs/Segel%20voller%20Hoffnung%20Projektbroschuere.pdf
Instagram: atelierdoreenstenzel
Liebe Manuela!
Vielleicht findet dies im thematischen Zusammenhang Dein Interesse: https://juergenkuester.net/?s=Hoffnung&submit=Suchen
Liebe Grüße, Jürgen
Ja durchaus, lieber Jürgen, denn ich hatte deine Arbeiten zum Thema Hoffnung bereits gesehen. Finde ich sehr gelungen und sprechen mich auch an.
Vor allem dieser Beitrag von dir: https://juergenkuester.net/2024/07/05/42-light-side-mix-hoffnung-druckgrafik-und-papierobjekt-acht-ansichten/
Viele liebe Grüße
Manuela
Danke, Manuela, für die Vorstellung
und Doreen Stenzel für den „Klang des Lebens“, die „Segel voller Hoffnung“, das „Erwachen“ und die Frage „Was bleibt“.
Mit guten Wünschen zum Sonntag und schöner Sommerzeit
verbleibt herzlich
Bernd
Lieber Bernd, Doreen Stenzel macht ganz hervorragende Arbeiten, ich habe mit ihr gemeinsam in Dresden vor einigen Jahren ausgestellt und es war eine harmonische und in sich geschlossene Ausstellung mit ihren Werken und Installationen und meinen Bildern. Ich war jedenfalls begeistert und bin es bis heute. Daher freut es mich auch, wenn dich ihre Werke ebenfalls ansprechen. Liebe Grüße und dir ein schönes Wochenende, Manuela