Artist Talk: Uwe de Witt – Zwischen Storyboard, Zeichnung und Malerei

Willkommen lieber Uwe, ich freue mich, dass du an meinem Artist Talk teilnimmst, um den
Leser:innen und mir einige Fragen zu deiner Kunst und deinem Schaffensspektrum zu beantworten, da man auf deiner Website nicht wirklich viel zu dir als Künstler erfährt. Ich durfte dich kürzlich in deiner Ausstellung mit Volker Stamer zusammen in Salzhausen bei Lüneburg kennenlernen und mir deine Arbeiten anschauen.

Uwe: Hallo Manuela! Freue mich, dass wir uns im Haus des Gastes in Salzhausen kennengelernt haben. Gerne nehme ich deine Einladung zum Artist-Talk an und beantworte deine Fragen 😉

Manuela: Du bist ja Designer, Illustrator und Künstler und hast Grafikdesign in Hannover studiert. Wieso hast du genau diesen Studiengang gewählt und wie kamst Du zur Kunst (zu deiner eigenen Kunst)? Was davon ist dein Hauptberuf oder „bedienst“ du alle 3 Bereiche
gleichermaßen?

Uwe: Direkt nach dem Studium habe ich als Junior Art Director in einer Werbeagentur angefangen. Das war 1994 und in der Zeit veränderte sich das Berufsfeld des Grafik-Designers. Die Computer hielten verstärkt Einzug und die goldene Ära des Desktop Publishings (DTP) begann. Ich zog damals für den Job von Hannover nach Lüneburg. In Hannover hatte ich Grafik-Design-Informatik studiert. Eine Kombination aus Grafik und Computerstuff. Der Studiengang war neu, und ich fand es sinnvoll, den Informatikaspekt mit einzubeziehen.

Nach dem Grundstudium habe ich mich auf Illustration spezialisiert und konnte experimentell und frei arbeiten. An den Bereichen Schrift/Kalligraphie und Illustration/Comic hatte ich große Freude, und die Profs haben mich toll unterstützt und mir freie Hand gelassen. Aktzeichnen und ein Storyboardkurs sorgten ebenfalls für Begeisterung. Das war damals sehr motivierend: sich weiterentwickeln, neue Techniken erlernen und kreativ arbeiten. Während des Hauptstudiums habe ich dann u.a. mein erstes Comic gezeichnet (nach einer Kurzgeschichte von Patricia Highsmith). Als Diplomthema übertrug ich eine Romanvorlage von Ray Bradbury in Filmdesign. Also Illustrationen von wichtigen Szenen, Storyboards, Set Designs und Props/Requisiten entwickeln. Zum Ende des Studiums hatte ich einige Ausstellungen in Cafés und Kneipen mit freikünstlerischen Sachen (abstrakt, Kalligraphie, Radierungen). Höhepunkt in dieser Zeit: eine Ausstellung im Foyer für junge Kunst/Vereins- und Westbank und meine Diplomarbeit exposed in Kyoto/Japan

AUSBILDUNG vorher. Step back in time. Während meiner Lehre zum Energieanlagenelektroniker bei VW Emden wurde intern mein Zeichentalent entdeckt und genutzt, um Cartoons für die Unfallverhütungsvorschriften und Glückwunschkarten für Ausbilder und Vorgesetzte zu erstellen. Da tauchte mehrfach die Frage auf, warum ich eine Ausbildung zum Elektriker mache und nicht Zeichner werde…? Tja, das hatte ich nie als Beruf gesehen, aber bei näherer Betrachtung stimmte das: Schaltungen bauen war ok, beim Zeichnen war Leidenschaft im Spiel. Die Elektro-Ausbildung habe ich abgeschlossen und mich dann auf einen Studienplatz für Grafik-Design beworben. In Hannover hat‘s geklappt.

Manuela: Gab es ein besonderes Ereignis, das den Ausschlag dafür gegeben hat, um die
künstlerische Laufbahn einzuschlagen? Was hat dich bewogen diesen Bereich zu wählen?

Uwe: Ein spezieller Moment war in meiner Grundschulzeit im Kunstunterricht. Die Aufgabe lautete: Einen Begriff visuell darstellen. Ich entschied mich für „Energie“. (Bsp. anbei) Auf das entstandene Bild ist die Lehrerin sehr abgefahren und hat mich dafür vor der Klasse über den grünen Klee gelobt. Sicher ein motivierendes und glückliches Ereignis.

Uwe de Witt | Energie

Manuela: Seit wie vielen Jahren schon bist du tätig als Designer/ Illustrator/ Künstler? Berichte
doch etwas aus deinem beruflichen Leben.

Uwe: Selbstständig bin ich seit 1996. Ich habe damals mit Becker Illustrators in Hamburg zusammengearbeitet. Eine Illustratorenrepräsentanz, die Aufträge an geeignete Zeichner vermittelte. Ich zeichnete Storyboards und Visuals für zumeist Hamburger Werbeagenturen. Damals stand die Globalisierung durch Internet und E-Mail noch bevor und alles war Old School: Zeichnungen per Hand mit Bleistift und Marker, Abstimmung per Fax und Telefon, fertige Bilder mit Kurier oder persönlich in der Agentur abliefern.

Digitale Revolution und Globalisierung sollten diese Arbeitsweise in den nächsten Jahren dann aber komplett verändern.

Manuela: Was war dein erster Job in der Branche?

Uwe: Ein Storyboard für Mercedes, damals Renommee-Kunde der Werbegentur Springer und Jacoby. CD Suse Uhlenbrock hat mich dazu gebrieft (…erklärt, was auf den Bildern zu sehen sein soll.) Okay, soweit klar. Wir brauchen dann allerdings alles komplett bis übermorgen früh. Schluck…na dann! 

Link zum Clip von damals:

So war das dann oft: enge Timings und auch ein hoher Anspruch an die Illustrationen.

Manuela: Wenn man sich deine Website anschaut oder auch dein Instagramprofil, dann fallen
einem da unmittelbar die Comics ins Auge. Mich haben vor allem die düster wirkenden
Illustrationen dazu fasziniert. Beispielsweise von „Spawn“ oder „Haunt“. Was spricht dich
selbst am Thema ‚Comics‘ an.

Uwe: Comics habe ich schon immer gerne gelesen. Als Kind fasziniert von Marvel Comics (damals erschienen beim Williams Verlag), Tex Willer und Kobra, flammte das Interesse verstärkt in den 90ern wieder auf. Zu der Zeit erfand Todd McFarlane Spawn und gründete mit Zeichnerkollegen Image Comics. Eine Art Gegenentwurf zu Marvel und DC, die den Zeichnern keine Rechte an den von ihnen gezeichneten Figuren einräumten. Bei Image Comics war das anders. 

Überhaupt war die Comic-Szene weltweit zu der Zeit sehr vielfältig und progressiv. Mit unterschiedlichsten Stilen und Zeichnern. Im Trivial Book Shop (Comicladen in Hannover) war ich dementsprechend oft zu Gast und checkte die neuesten Trends. Nach dem Studium hörte ich über einen Freund von Extrem Erfolgreich Enterprises (kurz EEE), einem neu gegründeten Comicverlag von Comic-Fan und Ärzte Schlagzeuger Bela B. Ich hatte so 3-4 Seiten einer nicht zuende gedachten Science Fiction-/Horrorstory gemalt und herumliegen. Da das thematisch gut in das Programm von EEE passte, schickte ich denen das in Kopie.  Kurz darauf ein Anruf: Cool die Seiten! Wann ist die Story fertig? Wir möchten das veröffentlichen… Im Jahr 2000 erschien dann BLASTED! mein Comic-Debüt bei EEE. 2002 der Folgeband IDIOT CITY (Zeichnungen: ich, Story: Andreas Dierßen) auch bei EEE. Die Resonanz darauf war insgesamt gut, aber wirtschaftlich gesehen funktionierten meine Werbejobs besser. Bis 2010 traten die Comics somit erstmal in den Hintergrund, auch weil ich mittlerweile eine Familie zu ernähren hatte.

Dann besuchte ich MADE in Berlin. Da waren viele namhafte Comiczeichner und Concept Artists für einen Workshop versammelt, und ich bekam wieder Lust auf‘s Comiczeichnen. Als Forum dafür rief ich einen BLOG ins Leben, später ging das dann in meinen Instagram-Auftritt über (@uwedewitt, Spacelord: Künstlername aus der Bowlinggruppe).

EXKURS: Während dieser Zeit gab es einige Wettbewerbe und Stoff für Verschwörungstheorien..;-). Wenn dich das interessiert, kann ich davon berichten, glaube aber, dass das hier zu weit führt und zu kleinteilig wird.

Manuela: Ein Aspekt deines Wirkens, welchen man auf deiner Website findet ist die Rubrik
‚Storyboards‘. Dort findet man Szenen für u.a. Autowerbung. Gib uns doch einen kleinen
Einblick, wie sich das Arbeiten hier gestaltet. Sind dies Auftragsarbeiten gewesen für die
verschiedenen Marken oder Sender?

Uwe: Storyboards sind wie kleine Comics, die den Werbespot, den sich die Agentur ausdenkt, bebildern.  Meistens um den Kunden zu überzeugen, manchmal auch als Planungshilfe für Kameramann und Regisseur (Shooting-Board). Diese Jobs habe ich für Werbung und für Filme gemacht. Als Auftragsarbeiten.

Manuela: Du erschaffst auch Werke mit Acryl und teils digital, was sind deine Kriterien
auszuwählen, mit welcher Art Material du arbeitest? Was treibt dich hier an? Wie erklärst
du deinen Arbeitsprozess jemandem, der keine Design-Erfahrung hat?

Uwe: Wenn ich effektiv und schnell arbeiten möchte, ist digital unschlagbar. Auch im weiteren Verlauf bezogen auf eventuelle Korrekturen etc. Das Malen ist für mich eine sinnliche Erfahrung, bei der ich gerne analog arbeite. Sozusagen mit den Händen im Material. Ich versuche meinen Bildern Tiefe zu geben. Über Struktur, Form, Farbe.

Bild links: Lago | 2023 | Uwe de WittBild rechts: Ohne Titel | 2008 | Uwe de Witt

Manchmal mische ich auch analoge Zeichnung mit digitaler Nachbearbeitung (Architekturmotive). 

Links: Auf dem Meere, Uwe de Witt rechts: In der Techt, Uwe de Witt

Manuela: Wie entstehen deine Werke und wie gehst du an sie heran? Was ist für dich die
wichtigste Botschaft in deiner Kunst? Berichte doch ein wenig.

Uwe: Bei den freikünstlerischen Arbeiten gibt es für mich den komplett freien Bereich der Abstraktion. Und dann die konzeptorientierte Kunst. Meistens eine Idee, die ich über Bilder o.ä. erzählen möchte. 

Rock’N’Roll is dead | Uwe de Witt

Da bin ich froh, dass ich über eine hohe Bandbreite an Ausdrucksmöglichkeiten verfüge. So muss ich nicht soviel über die Umsetzung nachdenken und kann viele Ideen zulassen.

Die Botschaft findet sich meist in der spezifischen Idee. Meine Kunst sollte idealerweise entertainen und darf gerne Humor/Ironie enthalten.

Uwe de Witt

Manuela: In deiner Ausstellung in Salzhausen kürzlich (zusammen mit Volker Stamer) warst du
thematisch ganz bei Heinrich Heine. Was hat dich bewogen dich so intensiv mit Heinrich
Heine auseinanderzusetzen und dann diese sehr zeitintensiven detaillierten Werke mit
viel Handschrift zu schaffen?

Uwe: Ich wollte mehr über Heine erfahren und habe mich mit seinem Wintermärchen beschäftigt. Ein wichtiges Werk mit etwas Umfang und teilweise zeitgenössisch übertragbar. Nach einer Gruppenausstellung zum Thema Heine, zu der ich mein „The End of Romance“-Kreuz beisteuerte, war ich neugierig geworden und die Winterreise erwies sich als interessant.

End of Romance | Uwe de Witt

Manuela: Worin siehst du für dich selbst den Unterschied zwischen Grafik, Illustration und
deiner Kunst? Welcher Bereich zieht dich am meisten an, welcher Bereich fordert dich
heraus und/ oder siehst du einen Unterschied darin was du tust um Geld zu verdienen
und dem was du für dich machst aus rein künstlerischer freier Sicht? Bzw. Du hast eine
gute Symbiose geschaffen. Du kannst künstlerisch aktiv sein, aber auch als Designer deine
Kunst verkaufen und einsetzen. Richtig?

Uwe: Ja, genau. Ich sehe das als Symbiose. Die Jobs bringen das nötige Geld, sorgen aber auch für Weiterentwicklung der künstlerischen Fähigkeiten.

Manuela: Was sagst du zu dem Satz: „Als Künstler kann man kein Geld verdienen.“ Wie war oder ist es bei dir zu Hause?

Uwe: Je spezifischer und persönlicher das Thema ist, umso schwieriger lassen sich die Bilder vermarkten. War bei mir zumindest bisher so.  Wenn ich mit konzeptionellen Ideen arbeite, komme ich zwar zu einer plakativen Umsetzung mit spannenden Motiven, die aber meist eher verstörend wirken und nicht besonders anheimelnd.  Ist ja auch gut, aber in meiner Range schlecht „kommerziell auswertbar“.

Manuela: Wieviel Zeit widmest Du der Kunst in Deinem Leben?

Uwe: Ich bin eigentlich rund um die Uhr im Kunst-Game. Wenn nicht aktiv am iPad, Pinsel oder Filzstift, dann zwischendurch, manchmal gedankenverloren, auf der Suche nach Ideen und Inspiration..:-)

Manuela: Was inspiriert dich, bzw. wie bilden sich deine Ideen für Werke aus?

Uwe: Filme, Politik, Musik, Kultur. Daraus entstehen für mich Ideen.

Manuela: Wieviel deiner eigenen Persönlichkeit und deines eigenen Lebens, Umfeld, Menschen
usw. finden sich in deinen Zeichnungen/ Werken und Illustrationen usw. wieder?

Uwe: In den kommerziellen Auftragsarbeiten bin ich nicht so persönlich. In meiner Kunst schon.

Manuela: Was war Deine schönste Reaktion auf Deine Kunst, die Du bekommen hast?

Uwe: Eine Reaktion über die ich mich gefreut habe, war die Verblüffung der Kunstfreunde über meine Arbeit zur Gruppenausstellung „Lebensräume“. Die gezeigten, gemalten Wohnzimmer, vordergründig belanglos, entpuppten sich als Wohnungen von Serienkillern. Nach Tatortfotos gemalt. Das hatte durch einen begleitenden Zeitungsartikel, der den Hintergrund erhellte, zusätzlich einen richtig tollen Plot-Twist-Effekt..:-)

Lebensräume | Uwe de Witt

Manuela: Was tust du, wenn du Inspiration für deine Werke brauchst und gerade nicht
weiterkommst?

Uwe: Ich arbeite meistens parallel an verschiedenen Sachen. Komme ich bei einem Werk nicht weiter, widme ich mich erstmal einer anderen Zielsetzung.

Manuela: Eine Frage, die Dich gerade bewegt?

Uwe: Was ist gerade in der Welt los…?

Manuela: Was hat dich zuletzt inspiriert?

Uwe: Eine Pommes-Schale.

Manuela: Was ist Kunst für dich? In 3 Worten!

Uwe: Persönlich, vielschichtig, unterhaltsam

Manuela: Woran arbeitest du im Augenblick?

Uwe: Comic „Retrograd“ Heft 3 von 5. Kleine Kunst-Formate für Verkaufsveranstaltungen im November und Dezember

Retrograd Cover | Uwe de Witt

Manuela: Gibt es gerade ein spannendes Projekt, das du momentan umsetzt? Oder ein Ziel, das
du unbedingt erreichen magst?

Uwe: Die „Retrograd“-Comic-Serie sollte idealerweise zum Comic Salon Erlangen im Juni 2026 fertig sein.

Manuela: Wo kann man dich und deine Kunst in diesem und kommenden Jahr finden (auf
welchen Ausstellungen/ Messen/ Kunsttagen….)

Uwe: 2025: Kunstkiosk am Salzmuseum und Avacon Lüneburg (noch bis 01/2026). 2026: 80 Jahre BBK Lüneburg, Kulturbäckerei

Manuela: Wo bist du online zu finden?(Linkliste zu Social Media bzw. Homepage)

Uwe: Website: www.uwedewitt.com

Website BBK: https://www.bbk-lueneburg.de/uwe-de-witt/

Instagram: @uwedewitt


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