Montagsgedicht: Marie-Célie Agnant

Selbstvergessen | Manuela Mordhorst | 20x20cm | 2018

Kindheit

Nichts Schöneres als dieses Haus
vergangener Tage
in dessen Garten der Wind
von Zweig zu Zweig
spazieren ging
maßlos – sanft verrückt
Die widerspenstigen Haare der Rebe
wo die Kinder Verstecken spielten
Die sauren Trauben
auf unseren Lippen
schmeckten auch nach Flammen
der Brotfruchtbaum
mit seinen Blättern wie Fächer
und im großen Teich
unsere Träume getragen
vom wallenden Haar
der Sirenen

Unsere beschwingten Vollblutträume
in diesen Nächten tiefster Finsternis
sahen Karawanen rätselhafter Geheimnisse vorbeiziehen

Dann das Gewitter
die Bäume säuselten ihre Traurigkeit
der Wind war nur noch ein furchtbares Brennen

In diesem Haus vergangener Tage
hatte ich noch nicht gelernt
meinen eigenen Schatten zu fürchten

(Marie-Célie Agnant, geb. 1953)

Aus dem Französischen übersetzt von Theresa Benkert

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