Artist Talk: Kontemplative Kunst – Michaela Mielke

Meine liebe Freundin Michaela von Michaela Mielke-Kontemplative Kunst kenne ich schon seit Jahren und zwar lernte ich sie kennen, als sie noch primär Memoria im Trauerbereich herstellte und vertrieb. Ihr Fokus war da möglicherweise noch ein anderer, die Hochwertigkeit ihrer Produkte jedoch damals schon sehr deutlich erkennbar.

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(Foto mit freundlicher Genehmigung von Michaela Mielke)

2013 wurde der künstlerische Anspruch ein anderer und das Projekt Lebensbaum zog ein. Ich erinnere diese Phase noch sehr gut und vor allem erinnere ich mich daran, wie ihre Arbeiten auf einzelnen Holztafeln ein großes Ganzes ergeben, etwas das klar ist an Symbolen und Sinnbildern und gleichermaßen alles an Lebenskreisläufen, an Mythologien, spirituellen Themen usw. offenlegt und nahebringt. Man kann stundenlang davor stehen und immer wieder entdeckt man Neues. Bestechend fand ich immer ihre Arbeitsweise mit dem Material Holz als Träger. In ihrem Hamburger Atelier erschafft sie wunderschöne Tafelbilder mit meditativem Anspruch, Bilder, die mit Lyrik verknüpft sind und phantasievolle Werke, die einladen zur Betrachtung.
Michaela war so lieb mir Rede und Antwort zu stehen für das folgende Interview und ich bedanke mich an dieser Stelle herzlich für die offene Beantwortung und die interessanten Einblicke.

Warum bist du Künstlerin geworden, bzw. wann hast du gemerkt, dass du eine Künstlerin bist und das auch ausleben möchtest?
Das einzige, was ich früher wusste: Ich möchte mit meinen Händen arbeiten. Dass ich dies als Künstlerin tun könnte, war mir damals eine zu abstrakte Vorstellung. So ging ich andere kreative Wege. Erst mit der Arbeit am Lebensbaum kam ein Prozess in Gang, mich selbst als Künstlerin anzuerkennen.

Gab es ein auslösendes Moment für dich, in dem du gemerkt hast, dass für dich die Kunst ein wichtiger Aspekt in deinem Leben darstellt?
Ja, definitiv der Lebensbaum. Er forderte sich selbst ein. Lange schwelte er in mir und die ganze Zeit über fühlte ich mich getrieben, ihn umsetzen. Als es dann soweit war, wusste ich um seinen Aufbau und die erste Tafel, den Circumpunct. Die anderen 24 Mosaikstücke waren jedoch völlig unklar. So ließ ich mich darauf ein, diese mir Schritt für Schritt, sozusagen Tafel für Tafel, zu erarbeiten.
Ich lud dazu ein, auf meiner Website virtuell an seiner Entstehung teilzuhaben. Jede Tafel steht für ein Thema innerhalb des Lebensbaumes und ich schrieb begleitende Texte dazu. Das erzeugte einen gewissen Druck am Ball zu bleiben und den Lebensbaum auch zu vollenden. Immer im Vertrauen, dass die nächste Tafel sich zeigt und am Ende alles einen Sinn ergibt. Das war für mich auch ein innerer Weg. Eine liebe Bekannte sagte mal, der Lebensbaum sei ein Übungsweg. Ja, auch für mich.

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Kannst du beschreiben was deine Kunst für dich bedeutet und wie du zu Holzarbeiten gekommen bist?
Vor vielen Jahren fiel mir ein Buch über frühzeitliche keltische Kunst in die Hände. Es hat mich sofort fasziniert. Doch um diese Kunstform zu verstehen, wollte ich sie selber malen. Holz war dafür wie selbstverständlich der Untergrund. Das war unverrückbar. Ich musste also diesen Werkstoff kennenlernen und seine Natürlichkeit schätze ich sehr.
Damit war auch mein Interesse an mittelalterlicher Tafelmalerei geweckt. Ich fand es spannend, wie mittels komplexer Symbolik die Bilder sich erschließen. Allein die Aussage der Motive zählte. Und weil damals viele Menschen nicht lesen konnten, diente sie vor allem der Wissensvermittlung und als Information. Man malte nicht nur was man sah, sondern auch was man wusste.
Sich der tieferen Bedeutung hinzuwenden, ist für mich ein wichtiger Aspekt. Dann wird eine Holztafel zu einer Bildgeschichte. Im Gegensatz dazu sind meine Arbeiten für Räume der Stille wiederum sehr reduziert, um sich in Gebet und Meditation darauf auszurichten.

(alle 3 Fotos von Michaela Mielke)

Hast du als Künstlerin eine konkretes Ziel worauf du hinarbeitest und verfolgst du eine übergeordnete Botschaft, die du mit deinen Werken aussenden möchtest?
Wir suchen die Welt und unsere Erfüllung darin. Wir ersuchen Mensch zu sein. Meine Tafelbilder und Projekte wie den Lebensbaum verstehe ich als eine Einladung zur Betrachtung, um mit diesem Sinngehalt in Berührung zu kommen. Dabei entsteht Kontemplative Kunst immer um ihrer selbst willen, erklärt sich aus sich selbst heraus und macht das Dargestellte erfahrbar. Und was du darin für ich entdeckst, ist ganz das deine – und geht zugleich in etwas Größerem auf.

Gibt es ein Kunstwerk in deinem Leben, das dich besonders beeindruckt hat?
Ein literarisches Werk: Die Edda. Beeindruckend fand ich die Sammlung altnordischer Lieder und Wissensdichtung aber erst, als ich dazu das umfassende Nachschlagewerk von Rudolf Simek las. Ohne das hätte ich die Edda nicht derart erfassen können.

Bist du manchmal unsicher in deiner Kunst?
Etliche Male. Alle Ideen hinterfrage ich. Manches geht mir leicht von der Hand. Vieles will auch errungen werden.

Was inspiriert dich, bzw. wie bilden sich deine Ideen für Werke aus?
Ich mag komplexe Strukturen, ihre Geometrie und Mathematik. Sie sind oftmals nicht auf den ersten Blick erkennbar, aber eine elementare Grundlage für die Anordnung von Motiven und Details. In meine Arbeiten fließt auch mein Interesse an Ikonografie und Ikonologie immer wieder mit ein. Vieles mag zwar hinter dem Schleier von Legenden, Mythen und Sinnbildern verborgen sein, doch sie inspirieren auf vielfältige Art und Weise. Denn auf der Ebene dahinter erzählen sie uns eine Geschichte mit tieferer Bedeutung. Sie beschäftigen sich mit unserem Wirken auf Erden und dem, was hinter der physischen Existenz steckt.

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Wie sieht deine Arbeitsmethode aus?
Ich male zunächst vor dem geistigen Auge. Den Aufbau, jeden Pinselstrich. Erst wenn ich alle Details sehe, setze ich es um. Dann heißt es, den Grund für das Motiv zu bereiten: Schleifen, wachsen, wieder schleifen und lasieren. Ein schöner Arbeitsschritt, sehr meditativ. Kontemplative Kunst fängt für mich hier schon an. Dabei in jedes einzelne Tafelbild eine besondere Aufmerksamkeit zu legen und gleichzeitig nach Fertigstellung freizugeben.

Wann ist ein Kunstwerk für dich abgeschlossen, woran merkst du, dass es fertig ist und nicht mehr weiter „bearbeitet“ werden muss?
Wenn ich zurücktrete und in mir sagt alles: Ja.

Was tust du, wenn du Inspiration für deine Werke brauchst?
Still werden. Rückzug. Das Schweigen aushalten. Und dann ist manchmal die Stille voller Bilder, die viel zu sagen haben. Es gibt auch Phasen, da muss ich Abstand nehmen und aktiv völlig andere Dinge tun, bis ich … ja, an einen gewissen Punkt der Langeweile komme. Auch da entsteht Raum für Inspiration.

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Dein Leben ohne Kunst wäre ?
…auf jeden Fall entspannter, aber um einiges leerer.

Welche Menschen haben dich am meisten (auch künstlerisch) geprägt?
Als Kind nahm mich meine Oma am Wochenende mit auf den Friedhof zur Grabpflege. Sie vermittelte mir Hingabe zur Totenfürsorge, dass wir etwas für die Seelen Verstorbener tun können. Und damit immer auch ein bisschen für uns selbst.
Meine Familie großväterlicherseits war künstlerisch geprägt. Ich wusste darum, habe mich aber erst nachdem ich anfing zu malen, damit auseinandergesetzt. Und ich entdeckte, das auch unsere Kunst verwandt war. Die Ausdrucksformen waren unterschiedlich, thematisch aber miteinander verbunden: den Sinn des Glaubens durch eine bildliche Sprache zu entdecken. Mir das zu erschließen und damit auch meine eigene Kunst zu verstehen, war für mich sehr bedeutsam.

Gibt oder gab es Vorbilder, an denen du dich orientierst oder orientiert hast?
Ein konkretes Vorbild kann ich so nicht benennen. Aber die Beschäftigung mit meinen Wurzeln brachte mir meine Vorfahren und Ahnen nahe. Und damit auch ihre Kultur, ihre Lebensweise, das Land, die nordische Mythologie. Sie waren eng mit Wachstum und Vergehen in ihrer Natur verbunden, den innewohnenden Geist in Gestirnen, Pflanzen und Tieren, und sahen den steten Wandel als notwendigen Prozess im Gesamtgefüge.
Das ist mir sehr nah und vertraut. Wie ein genealogisches Gedächtnis, das als Erbe weitergegeben wird und dem man auch eine Verantwortung gegenüber hat. Dafür eine gewisse Hege zu übernehmen, ist ein guter Kompass für mich.


Danke an Michaela für das schöne Interview und abschliessend hier noch für alle nun Interessierten ein spannendes Video zur Entstehung des Bildes Oculus.

https://www.youtube.com/watch?v=U8N5W9ztiv0&feature=youtu.be

Nähere Informationen zu ihrer Arbeitsweise, ihren Werken und Produkten sowie Shop finden sich auf ihrer Website. (Siehe hier)

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